Immer wieder gibt es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Streit über die Frage, ob Fahrten, die der Arbeitnehmer für beruflich veranlasste Reisezeiten durchführt, Arbeitszeit darstellen und vom Arbeitgeber vergütet werden müssen.

1. Wegezeit zwischen Wohnung und Arbeitsstelle

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte stellen grundsätzlich keine Arbeitszeit dar. Etwas anderes kann allerdings gelten für betriebsbedingten Wegezeiten vom Betrieb zu den außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstellen. Fährt der Arbeitnehmer von seiner Wohnung unmittelbar zu einer außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstelle wird die Zeit auf die Arbeitszeit angerechnet, die über die Wegezeit von der Wohnung zum Betrieb hinausgeht.

2. Reisezeiten

Bei Reisezeiten ist zu unterscheiden:

a) Definition

Als Reisezeiten gelten alle vom Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers unternommenen Wege bzw. Reisen außerhalb der Gemeindegrenzen des Betriebsortes unabhängig von Beginn und Ende der regelmäßigen (betrieblichen) Arbeitszeit.

b) Reisezeiten innerhalb der betriebsüblichen Reisezeit

Entsprechend sind Reisezeiten dann als Arbeitszeit zu werten, wenn der Arbeitnehmer durch die Dienstreise seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, wie z.B. Taxi- oder LKW-Fahrer, aber auch Reiseleiter oder Außendienstmitarbeiter im selbst gesteuerten KFZ. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer diese Arbeiten in oder außerhalb der betriebsüblichen  Arbeitszeit erbringt.

Erbringt der Arbeitnehmer während der Dienstreise die Hauptleistung, z.B. weil er während der Fahrt sich auf eine dienstliche Besprechung oder einen Auswärtstermin vorbereitet, ist auch diese Zeit als Arbeitszeit anzusehen. Leistet der Arbeitnehmer allerdings während der Reise eine geringere Arbeitsleistung als er während der Vollarbeit leisten müsste, kann dies ggf. wie eine Art Arbeitsbereitschaft angesehen werden und die Arbeitszeit ausnahemsweise auch einmal über die Zehn-Stunden-Grenze hinaus zulässig sein. Dies bedingt allerdings eine eindeutige Regelung in einem Tarifvertrag iSd § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG.

Fährt der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit von einem Ort zum anderen, um seine Arbeitspflichten zu erfüllen, ist die aufgewandte Reisezeit ebenfalls als Arbeitszeit zu werten. Dies gilt sogar für einen Beifahrer, wenn er neben dem Fahrer mit auf den Verkehr oder auf die Strecke achten muss.

c) Reisezeiten außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit

Reisezeiten des Arbeitnehmers außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit  stellen in der Regel keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsschutzrechtes dar.

Insoweit handelt es sich nicht um Arbeitszeit, wenn z.B. der Arbeitnehmer mit dem Zug außerhalb der Arbeitszeit zu einem Seminar fährt.

Entscheidend bei der Bewertung, ob es sich bei betriebsbedingten Reisezeiten außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit um Arbeitszeit oder arbeitsfreie Zeit handelt, ist die Frage, ob der Arbeitnehmer während der Reisezeit in einem Umfang beansprucht wird, der mit der Leistungserbringung während der normalen Arbeitszeit vergleichbar ist.

Fährt der Arbeitnehmer, anders als in dem o.g. Beispiel, nicht mit dem Zug, sondern mit seinem PKW aus dienstlichen Gründen zu einer Tagung/ zu einem Seminar, handelt es sich um Arbeitszeit.

Grundsätzlich ist bei der Fahrt mit dem PKW entscheidend, ob der Arbeitnehmer mit dem eigenen Fahrzeug fahren muss oder nicht. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer frei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem eigenen PKW zu fahren, liegt keine Arbeitszeit vor, wenn der Arbeitnehmer sich für die Fahrt mit dem PKW entscheidet. In diesem Fall liegen nämlich die Gründe für die Fahrt mit dem PKW im privaten Bereich. Etwas anderes dürfte nur gelten, wenn der Arbeitnehmer nur deshalb die Fahrt mit dem eigenen PKW wählt, weil er mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter zumutbaren Bedingungen den Bestimmungsort nicht erreichen kann.

3. Vergütungspflicht der Reisezeit

Die Beurteilung der Reisezeit als Arbeitszeit führt nicht zwangsläufig auch zur Pflicht des Arbeitgebers, diese Zeiten auch zu vergüten.

Reisezeiten, die ein Arbeitnehmer über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus im Interesse des Arbeitgebers aufwendet, hat der Arbeitgeber nur dann als Arbeitszeit zu vergüten, wenn das vereinbart oder eine Vergütung „den Umständen nach“ im Sinne des § 612 I BGB zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang finden sich auch häufig spezielle Regelungen in Tarifverträgen, wie zB im Baurahmentarifvertrag. Dort gilt gem. § 3 Nr. 4 BRTV-Bau:

 „Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle, sofern zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer keine andere Vereinbarung getroffen wird. Bei Baustellen von
größerer Ausdehnung beginnt und endet die Arbeitszeit an der vom Arbeitgeber im
Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu bestimmenden Sammelstelle.“

 

In diesem Sinn ist die Fahrt zwischen dem Betriebssitz des Arbeitgebers und einer auswärtigen Baustelle stets vergütungspflichtige Arbeitzeit, wenn der Arbeitnehmer zB das Betriebsfahrzeug mit Materialen belädt oder aus Anweisung des Arbeitgebers Kollegen mit zur Baustelle nehmen soll. (vgl. LAG Niedersachsen, Urt. v. 28.03.2008 – 16 Sa 780/07; BAG, Urt. v. 18.01.1984 – 4 AZR 261/82).

Aber Achtung: der Arbeitgeber muss die Reisezeit nur für den Fahrer vergüten, nicht für die mitfahrenden Kollegen. Diese erbringen, im Gegensatz zum Fahrer, hier keine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung. Für sie stellt deshalb die Reisezeit Ruhezeit dar, die nicht vergütungspflichtig ist.

Die Beförderung vom Arbeitnehmern mit einem Betriebsfahrzeug durch einen Kollegen ist für das Baugewerbe ebenfalls tariflich (in § 5 Nr. 4.4 BRTV-Bau) geregelt:

„Übernimmt der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit mit einem vom Arbeitgeber gestellten Fahrzeug die Beförderung von Arbeitnehmern zur Bau- oder Arbeitsstelle des Betriebes (Hin- und/oder Rückfahrt), so ist die Vergütung für diese Tätigkeit einzelvertraglich zu regeln.“

Ist eine Regelung nicht getroffen, sind die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Einen Rechtssatz, dass solche Reisezeiten stets oder regelmäßig zu vergüten sind, gibt es nicht, so die Bundesrichter bereits in einer Entscheidung des BAG vom 03.09.1997, 5 AZR 428/96.

Leistet der Arbeitnehmer eine gehobene Tätigkeit und wird er entsprechend hoch vergütet, gilt nach dem genannten Urteil des BAG eine Reisezeit bis zu zwei Stunden über die geschuldete Arbeitszeit hinaus durch das reguläre Gehalt als abgegolten.

4. Besonderheiten für Außendienstmitarbeiter

Für Außendienstmitarbeiter hat der EuGH (Urteil vom 10.9.2015 – C-266/14 -)  ein wichtiges Urteil zum Umfang der vergütungspflichtigen Arbeitszeit nach der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG gefällt. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob die Zeit, die die der Außendienst-Arbeitnehmer für die Fahrt zu Beginn und am Ende des Tages aufwenden, als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie anzusehen ist.

Der EuGH bejaht diese Frage. Es würde, so die Richter, dem unionsrechtlichen Ziel des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zuwiderlaufen, wenn diese Fahrten keine Arbeitszeit wären. In der Arbeitszeitrichtlinie sei Arbeitszeit als jede Zeitspanne definiert, während deren ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Jede Zeitspanne, die keine Arbeitszeit ist, gälte als Ruhezeit. Die Fahrten der Arbeitnehmer zu den von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden seien notwendig, um an den Standorten dieser Kunden die geschuldete Hauptleistung zu erbringen. Während dieser Fahrten unterstünden die Arbeitnehmer den Anweisungen ihres Arbeitgebers, der die Kundenreihenfolge ändern oder einen Termin streichen oder hinzufügen könnte.

Damit bestätigte der EuGH im wesentlichen die nationale Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Bereits in 2009 hat das BAG (Urteil vom 22.4.2009, NZA-RR 2010, 231) für einen mit Wartung und Reparatur befassten Kundendienstmitarbeiter entschieden, dass derartige Fahrten vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen.

Die Entscheidung des EuGH hat allerdings zur Folge, dass hiervon bisher abweichende Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen rechtlich überprüft und an die europäische Rechtsprechung angepasst werden müssen.

Praxistipp:

Sie sind als Arbeitgeber regelmäßig mit rechtlichen Fragen zur Vergütung beruflich bedingter Reisezeiten konfrontiert? Lassen Sie sich von Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Albert Ihre aktuellen Arbeitsverträge prüfen und ggf. anpassen.