In einer aktuellen Entscheidung – Urteil vom 29. Juni 2016 (5 AZR 716/15) – hat der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass zur vergütungspflichtigen Arbeit auch Bereitschaftszeiten, auch Bereitschaftsdienst genannt, rechnen. Auch für Bereitschaftszeiten hat deshalb der Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.

Bereitschaftszeiten sind Arbeitszeit

In dem zu entscheidenden Fall hatte der Kläger die Vergütung von Bereitschaftszeiten mit dem gesetzlichen Mindestlohn gelten gemacht. Mit dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes zum 1.1.2015 sei die tarifliche Vergütungsregelung, auf die im Arbeitsvertrag verwiesen sei, unwirksam geworden. Ihm steht deshalb die übliche Vergütung von 15,81 € brutto je Arbeitsstunde zu. Beide Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Auch vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Kläger letztendlich keinen Erfolg. Insbesondere stehe dem Kläger kein Anspruch auf weitere Vergütung zu. Zwar sei die Bereitschaftszeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Mit Vollarbeit und Bereitschaftszeiten könne der Kläger maximal 228 Arbeitsstunden im Monat leisten. Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Mindestlohns entspräche dies einer Vergütung in Höhe von 1.938 € brutto. Tatsächlich erhalte der Kläger eine Monatsvergütung, die diesen Betrag übersteigt. Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung sei im Übrigen nicht wegen des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden.

Mindestlohn

Mit diesem Urteil bestätigt das Bundesarbeitsgericht die Vorinstanzen und liegt damit auch auf gleicher Linie mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der bereits mit Urteil vom 09.09.2003, Az C-151/02 entschieden hatte, dass Zeiten des Bereitschaftsdienstes in vollem Umfang als Arbeitszeit gelten . Der Senat hat damit aber auch endlich klargestellt, dass nicht nur allein auf den einzelnen Stundenlohn abzustellen ist, sondern auf die monatliche Gesamtzahlung. Liegt diese über dem Produkt aus gesetzlichem Mindestlohn und Anzahl der geleisteten Stunden pro Monat, ist den Anforderungen des Mindestlohngesetzes genüge getan.

Auswirkungen hat dieses Urteil insbesondere natürlich in den Branchen, in denen viel Bereitschaftszeiten anfallen, wie zum Beispiel in Krankenhäusern und im Rettungsdienst. Bereitschaftszeiten liegen dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob sich dieser Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebes befindet.

Praxistipp

In Betrieben, in denen Arbeitszeit in Form von Bereitschaftszeiten anfallen, sollten Arbeitgeber dringend die Vergütung für diese Bereitschaftszeiten überprüfen, um nicht auch in die Falle einer drohenden Ordnungswidrigkeit wegen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz zu tappen. Immerhin hat der Gesetzgeber in § 21 MiLoG bei einem Verstoß eine Geldbuße von bis zu 500.000 EUR und sogar einen möglichen Ausschluß von der Vergabe öffentlicher Aufträge angedroht. Gegebenenfalls sollten Arbeitgeber auch rechtlich prüfen lassen, ob tatsächlich Bereitschaftszeiten anfallen oder es sich nicht vielmehr um Zeiten der Rufbereitschaft handelt. Bei letzteren handelt es sich nämlich nicht um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Gern erörtern wir mit Ihnen in einem Beratungsgespräch die Unterschiede zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft.

Zu der Frage, welche Vergütungsbestandteile der Arbeitgeber auf den Mindestlohn anrechnen kann, hatten wir bereits in unserem Blogbeitrag zum Thema Weihnachtsgeld und Mindestlohn Stellung genommen.

Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Albert unterstützt sowohl Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer bei der Durchsetzung der rechtlichen Interessen zum Thema Mindestlohn, aber auch in allen anderen Bereichen im Arbeitsrecht.