Wenn Eltern nicht wieder arbeiten gehen können, weil das Kleinkind keinen Kitaplatz bekommt, haben Eltern einen Schadensersatzanspruch für den Verdienstausfall.

 

Rechtsanspruch auf Kitaplatz

Das Versprechen vor einigen Jahren klang gut: Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder von 1 bis 3 Jahren – § 24 Abs. 2 SGB VIII. Seit dem 01.08.2013 haben Kinder einen Anspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe mussten dafür sorgen, dass ausreichend Plätze vorhanden sind. Die Realität sieht leider vielerorts anders aus. Noch immer sind nicht überall und ausreichend Plätze vorhanden.

 

  1. Werden Kosten für private Kinderbetreuung ersetzt?

Fall 1: Sofia (1 Jahr alt): Sophias Mama, Jennifer, alleinerziehend, möchte wieder arbeiten und ihre Tochter in die Kita geben. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe lehnt den Antrag auf Zuweisung eines Kitaplates ab. Welche Möglichkeit hat Sophia nun?

 

Sophia, vertreten durch ihre gesetzlichen Vertreter, d.h. Jennifer, hat einen einklagbaren Anspruch auf einen Kitaplatz oder eine Tagesmutter. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Anspruch auf die Wunschkita besteht.

Alternativ kann Jennifer ihre Tochter auch privat unterbringen. Aber wer trägt die (Mehr-) Kosten in Höhe von X Euro, die Jennifer nun entstehen? Klare Antwort: Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Sophia keinen Platz in einer öffentlichen Kita oder bei einer Tagesmutter anbieten kann.

 

So weit also nichts Neues.

 

  1. Besteht Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls?

Fall 2: Für Max, 2 Jahre alt, steht auch nach seinem zweiten Geburtstag kein Platz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter zur Verfügung. Seine Mutter, Maria, alleinerziehend, muss zu Hause bleiben und Max betreuen. Nach Max‘ Geburt konnte sie nicht wieder in ihren Beruf einsteigen. Maria hat deshalb einen Verdienstausfall von € 400,- im Monat. Im zweiten Lebensjahr summiert sich ihr Verdienstausfall auf € 4.800,-.

 

Diesen Fall hat der BGH nun entschieden:

 

Urteil des BGH, wann ein Schadensersatzanspruch bei fehlendem Kitaplatz besteht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20.10.2016 entschieden, dass die Mutter in Fall 2, Maria, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat. Voraussetzung für den Anspruch ist jedoch, dass die Kommune dafür verantwortlich ist, dass für Max kein Kitaplatz zur Verfügung steht.

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verletzen ihre gesetzliche Pflicht, wenn sie nicht für ausreichend Plätze sorgen. Im Zweifel muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe selbst dafür sorgen, dass ausreichend Plätze vorhanden sind. Er kann sich nicht darauf berufen, dass es nicht genug Kitas und Tagesmütter gibt oder die Stadt bzw. Gemeinde kein Geld hat.

 

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Marias Schadensersatzanspruch richtet sich nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 GG. Zwar haben allein Kinder einen Anspruch auf den Betreuungsplatz. Kann dieser jedoch nicht angeboten werden, sind zwangsläufig auch ihre Eltern betroffen. Der Gesetzgeber habe deshalb gewollt, dass § 24 Abs. 2 SGB VIII nicht nur die Kinder sondern die gesamte Familie und damit auch die Eltern schützt. Der Schutz der Familie umfasst hierbei unter anderem die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und soll so auch Anreize für berufstätige Paare schaffen, Kinder zu bekommen. Das Glück der Kinder steht hierdurch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Glück der Eltern, die sich weder Gedanken um die Kinderbetreuung noch das Familieneinkommen machen sollen.

 

Keine Beschränkung der Entscheidung auf Leipzig

Der BGH hat zwar drei Fälle aus Leipzig behandelt. Die Grundsätze gelten aber bundesweit. Das Sozialgesetzbuch, das den Anspruch auf einen Kitaplatz beinhaltet, ist ein Bundesgesetz und deshalb in ganz Deutschland anwendbar.

 

Die Pressemitteilung des BGH zum Urteil finden Sie hier. Das vollständig abgefasste Urteil liegt noch nicht vor.

 

Wenn auch Sie Hilfe bei der Durchsetzung des Anspruches auf einen Kitaplatz benötigen, steht Ihnen Rechtsanwältin Claudia Napieralski gern zur Seite. Haben Sie sonstige Probleme im Familienrecht, helfen Ihnen die Rechtsanwältinnen Kathrin Dahms-Daniel und Antje Gerdes gerne weiter.